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Bremen-Brocken-Bremen ist ein selbstorganisierter Bikepacking-Marathon

21 July 2020
Bremen-Brocken-Bremen ist ein selbstorganisierter Bikepacking-Marathon

Bremen-Brocken-Bremen ist ein selbstorganisierter Bikepacking-Marathon

21 July 2020
Bremen-Brocken-Bremen ist ein selbstorganisierter Bikepacking-Marathon

Bremen-Brocken-Bremen ist ein selbstorganisierter Bikepacking-Marathon

21 Jul. 2020
TEXT // JANNIS & KARL | PHOTOS // JANNIS & KARL

Selbstorganisierter Bikepacking Marathon

Wer sind wir?

Am Anfang kurz zu uns: Wir gehen auf die 30 (Jannis) bzw. auf die 40 (Karl) zu, sind Software-Entwickler und haben die letzten Jahre begonnen, leidenschaftlich Rennrad zu fahren. Dieses Jahr wollten wir mit der Renngemeinschaft Bremen, einer wilden Mischung aus den verschiedenen Bremer Radsport-Vereinen, bei Amateurrennen angreifen. Nach einer guten Vorbereitung im Winter sollte die Saison mit einem Trainingslager auf Mallorca Mitte März gestartet werden. Das fiel, genau wie die ganze Jahreplanung, in den Lock-Down. Die Trainingsmotivation war plötzlich im Keller, irgendwo in der Ecke hinter der Kiste mit Flachwitzen. Aus der Traum von Wettkämpfen, wieder zurück in unserer "alten" Combo, einem Rennrad-begeisterten Freundeskreis rund um den Buch- und Plattenladen "The Golden Shop". Und letzterer brauchte in Zeiten von Corona Unterstützung. Der Laden war zu, Versandwege mussten aufgebaut werden. Das kam uns als sinnstiftende Beschäftigung gerade Recht. Das Team Golden Shop stieg für ein paar Wochen ins Kuriergeschäft ein. Inzwischen können Bücher und Platten endlich auch wieder im Laden gekauft werden - und wir sind auf der Suche nach neuen Herausforderungen. So wurden die Distanzen länger und die Ideen, was als nächstes kommt, übermütiger. Die Idee Bremen-Brocken-Bremen an einem Tag zu fahren, war schnell geboren - und verbreitet sich seitdem wie ein Lauffeuer.

Bikepacking

Die Bremer Profi-Radsportlerin Carolin Schiff vermittelte uns Anfang Mai einen Kontakt zu BBB und auch dort stieß das Projekt Bremen-Brocken-Bremen auf offene Ohren. Nun wurde es ernst: Wir zückten die Kalender. Am 31.5. würden wir unser Vorhaben in die Tat umsetzen. Bremen-Brocken-Bremen in weniger als 24 Stunden. Bei allen gemeinsamen Trainingsfahrten im Mai war Bremen-Brocken-Bremen Thema. Wir sponnen rum, sicherten uns spontan die Domain bremen-brocken-bremen.de, noch bevor wir genau wussten, was wir damit vorhaben. Ein Ziel vor Augen und den Wind in der Nase - plötzlich konnten wir motivationstechnisch trotz Corona wieder aus dem Vollen schöpfen. Das wollen wir mit anderen Teilen. Es sollte also ein Event werden - nur eben mit den Rahmenbedingungen einer Pandemie. So kamen nach und nach die Ideen zum Reglement mit niederschwelligen und ambitionierten Wertungen und die Webseite füllte sich. Irgendwann stand das Event so weit, dass wir mit dem Vorhaben mögliche Sponsoren ansprechen konnten, ob sie nicht Preise beisteuern wollen. Wir bekamen viel positives Feedback und hatten langsam den Eindruck, dass das Projekt genau zur richtigen Zeit kommt. Am Tag vor unserem Versuch stand alles so weit - wir mussten nur noch losfahren.


Bikepacking 2

Na, bitte!

Dass die Distanz machbar ist, war klar - aber auch für uns? 12-14 Stunden hatten wir schon auf dem Rad gesessen, nun ging es um mehr. Wir waren gespannt, ob wir es schaffen und was die Strecke mit uns macht. Sehen wir auch Figuren im Nebel, nah am Wahnsinn, wie es ein Freund beim Race Across Germany erlebt hatte? Machen die Beine, der Nacken, das Material mit? Würden wir womöglich an unserer eigenen, mit großem Tamtam bereitgelegten Messlatte scheitern? selbsteingebrockt.de self-supported Bikepacking-Marathon 11.06.2020 Idee & Bericht Projekt: bremenbrockenbremen.de Wir starteten am Samstagmorgen um 5.10 Uhr am Weserwehr, die Dämmerung setzte gerade ein. Alles begann mit einem wunderschönen Sonnenaufgang, den wir entlang der Weser aus allen möglichen Perspektiven bewundern konnten. An das Gepäck gewöhnten wir uns schnell. Nach rund 120 Km gab es eine Frühstückspause mit Porridge, Brötchen und Cappucino.

Danach zog sich die Fahrt etwas bis Werningerode. Peine zu durchfahren war nicht hübsch, in Salzgitter waren die Radwege teilweise eine Unverschämtheit. Aber die Landschaft wurde langsam hügeliger und war schön anzuschauen. Mental war es trotzdem der schwerste Teil. Noch um die 300 Km zu fahren, es wollte nicht so richtig weniger werden und die Zeit lief. Es half, dass es immer wieder Blickschneisen auf den Brocken gab und wir schon mal Maß nehmen konnten. Belegte Brote hielten uns am Treten.

Hinter Werningerode machten wir eine Pause, um den mittlerweile schon weit gereisten Nudelsalat zu verspeisen. Die Portionen hätten uns an anderen Tage vor eine Herausforderung gestellt - jetzt atmeten wir die Kohlenhydrate förmlich ein.

Bikepacking 1

Auf halbem Wege!

Dann ging es stetig bergauf, bis wir in Schierke mit der Bergwertung des Events begannen. Wir beschlossen, es entspannt anzugehen. Nach 12 Stunden und drei Minuten kamen wir oben an. Bergfest im doppelten Sinne. Wie üblich war es auf dem Gipfel windig und frisch, so dass wir nicht lange trödelten, sondern nur ein paar obligatorische Beweisfotos schossen und uns warm anzogen, um uns dann zwischen den bierselige Wanderern in die Abfahrt zu stürzen. Endlich auf dem Rückweg! Nun war greifbar, dass wir es in 24 Stunden schaffen.

Nach der Abfahrt ging es noch mal rauf nach Torfhaus, gefolgt von einer schnellen Abfahrt nach Bad Harzburg. Bei Salzgitter machten wir die letzten Höhenmeter und hatten dann nur noch 180 Km vor uns. Bei verbleibenden 8,5 Stunden also keine große Sache mehr. Ein paar Regentropfen taten der Stimmung keinen Abbruch und der Sonnenuntergang, in den wir hinein fuhren, war traumhaft. Gegen 21.30 Uhr setzte die Dämmerung ein, die Flaschen waren leer und wir kamen in Peine an einem Getränkemarkt vorbei, der uns auf dem Hinweg schon ins Auge gefallen war. Also: Getränke holen, die letzte Stulle essen, Licht anbringen und warme Klamotten für die Nacht anziehen. Es setzt Euphorie ein: 6h45m Zeit für 150 Km Flachland.

Die Nacht ist klar, es wird frisch (7-9 Grad), wir sind zu Haferriegeln und Veggie-Würsten übergegangen und kommen gut voran. Anhalten mag man bei den Temperaturen eh nicht mehr. Aber so langsam sitzt uns die Müdigkeit im Nacken. Ab und zu fallen die Augen zu. 85 Km vor Bremen kommen wir an einer Sparkasse vorbei und gönnen uns ein kurzes Nickerchen auf dem Teppich in der schön beheizten (und für jeden zugänglichen!) Schalterhalle. Danach sitzen wir aufgewärmt, wieder wach und mit gefüllten Flaschen auf den Rädern, um triumphierend durch immer bekannteres Gelände nach Hause zu rollen. Die Vorfreude auf's Bett ist riesig, die Wege immer vertrauter, irgendwann haben wir das Gefühl, jedes Schotterkorn zu kennen und rollen schließlich über die Schleuse auf das Weserwehr hinunter. Es ist 4 Uhr morgens und wir haben es geschaftt. In 22 Stunden und 51 Minuten. Hammer! Müde und lächelnd wird nach Hause gerollt, ab unter die Dusche und ins Bett. Ein Traum.

Allen Unterstützer*innen wollen wir danken, speziell BBB, dem Golden Shop, Caro, Jasmin, Lea.

Bremen-Brocken-Bremen